Der Ort, an dem die Pfingstrosen blühen

Viele Schätze liegen im Verborgenen: Von der Straße aus betrachtet sieht die geschlossene Hausfront in Westhofen genauso unscheinbar aus wie viele in Rheinhessen. Auch wenn man durch das Haus in den gepflasterten Innenhof mit den Fachwerkmauern und den Topfpflanzen gelangt, befinden sich Besucher immer noch im Bereich des Erwartbaren. Aber wer die steile Steintreppe hoch in den Garten geht, wird überrascht und betritt eine andere Welt: Ein berauschendes, zeitentrücktes Gartenparadies verzaubert die Sinne.

Während der Vegetationszeit flutet die überbordende Staudenbepflanzung mit Tausenden von Blüten den nach historischen Vorbildern angelegten Barockgarten. „Der Garten hat uns gefunden!“ erzählt Iris Leonhardt. Zusammen mit Jürgen Süß hat sie im Jahr 2007 den Garten mit dem historischen Haus aus dem 17. Jahrhundert gekauft. Üblicherweise suchen Immobilienkäufer ein „Haus mit Garten“ – hier war die Reihenfolge ganz bewusst umgekehrt: Die leidenschaftlichen Gartenfans suchten einen ansprechenden Garten mit Haus. Und den fand das Paar in Rheinhessen in dem alten Gehöft mit Innenhof und Gartengrundstück, eine typische sogenannte „Hofreite“. Nach dem Vorbild historischer Barockgärten legten die Produktdesignerin und der weltweit tätige Chemiker einen Zaubergarten an. Mit exakt geplanten Strukturen: gerade Wege, klare Räume. Zwischen einem alten Kirschbaum, einem sehr alten Mandelbaum, einem alten Nussbaum und einem französischen Renette Apfelbaum pflanzten sie unzählige Stauden.

Alleine schon rund 80 Pfingstrosen wachsen heute in dem Zaubergarten - geschützt von einer meterhohen Bruchsteinmauer. Historische Sorten haben Iris Leonhardt und Jürgen Süß in unterschiedlichen Farben angepflanzt. Die Pflanzen stammen von ausgesuchten Züchtern – früher häufiger aus England, mittlerweile von deutschen Lieferanten wie der königlichen Gartenakademie in Berlin. Iris und Jürgen achten beim Pflanzenkauf auf traditionelle ökologische Vermehrung. Auch beim Gärtnern steht umweltbewusste Pflanzen- und Bodenbearbeitung im Vordergrund. Die insektenfördernde, ökologische Gartenpflege sorgt während der Vegetationsphase für eine deutlich wahrnehmbare Geräuschkulisse: Es summt und brummt in jeder Ecke und an jeder Pflanze in dem lebendigen Garten. Auf tausend Quadratmetern entstehen Farbräume: es gibt den roten Bereich, den weiß-blauen und den grünen. Ein raffiniertes Beleuchtungskonzept lässt auch die Bruchsteinmauer in unterschiedlichen Farben erstrahlen. Ein Garten zum Staunen und Entspannen – ein Kontrapunkt zum stressigen Berufsalltag: Für die Gärtner und die Besucher.

Der Kirschbaum ist unterkellert – ein perfekter Ausstellungsraum für die Künstlerin Iris Leonhardt. Die frei gestalteten teilweise bemalten Tonskulpturen kommen hier eindrucksvoll zur Geltung. In anderen Räumen hängen ihre ausdruckstarken Gemälde. Kunst und Kultur, Natur und Rezepte, Architektur und Wein: Die schönen Dinge des Lebens werden in Westhofen geschmackvoll verbunden. Sommerblüten und Malerei, Ausstellungen, Gartenerlebnis und Weinproben: „rheingrün“ bietet eine einmalige, pflanzenreiche Bühne für Kunst, Kultur, Sensorik und Emotionen, in denen die Besucher genussvoll schwelgen können. Der Kultursommer Rheinland-Pfalz unterstützt die vielfältigen Veranstaltungen in Westhofen. „rheingrün“ ist ein besonderer Ort: in der Region verwurzelt, mit großer Ausstrahlung über die Region hinaus.

Den Preis für den Great Wine Capitals Best of Wine Tourism Award 2023 in der Kategorie „Architektur, Parks und Gärten“ national hat sich das „Rheingrün Hofgarten“ mehr als verdient. Das gelungene Konzept aus lebendiger Gartenanlage, zeitgenössischer Kunst, Lesungen und Konzerten überzeugte auch die internationale Jury und wurde deshalb auch mit dem globalen Best of Wine Tourism Award ausgezeichnet.

Der TV- und Weinjournalist Wolfgang Junglas betreut beim SWR Fernsehen in Mainz in der Unterhaltungsredaktion Sendungen wie "Wahl der Deutschen Weinkönigin." Er ist Buchautor, Vorsitzender von Weinfeder eV, Präsident von FIJEV und Lehrbeauftragter an der Hochschule Geisenheim – und seit 2021 der Blogger von GWC Mainz | Rheinhessen.